Eine Nachlese zur Fachtagung: Web 2.0 und Social Media in Katastrophenschutz und Hochwassermanagement

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Am 17. Oktober 2013 fand im Studio der Villa Bosch in Heidelberg die Fachtagung „Web 2.0 und Social Media in Katastrophenschutz und Hochwassermanagement“ statt. Die Veranstaltung konnte nicht zuletzt durch die großzügige Unterstützung der Klaus-Tschira-Stiftung und dem HochwasserKompetenzCentrum (HKC) mit Erfolg und den Rückmeldungen zufolge zur Zufriedenheit der Teilnehmer durchgeführt werden. Sie wurde gemeinsam von dem Lehrstuhl für Geoinformatik der Universität Heidelberg (Prof. Zipf) und der Firma Leiner & Wolff (Heidelberg) organisiert. Flankierend bot das Infomobil des HochwasserKompetenzCentrums (HKC) Informationen zum praxisgerechten Umgang mit dem Thema Hochwasser.
Das Hochwasserereignis in Mitteleuropa im Juni 2013 hat einmal mehr die wachsende Bedeutung sozialer Medien bei der Bewältigung von Naturkatastrophen aufgezeigt. Dieses relativ neue Phänomen findet zunehmende Beachtung in der Wissenschaft wie auch in den Verwaltungen und weiteren mit dem Management von Naturkatastrophen befassten Institutionen und Organisationen. Entsprechend weit gefächert war der fachliche Hintergrund der Referenten wie auch der Teilnehmer, der von der wissenschaftlichen Forschung über Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen bis hin zu Hilfsorganisationen und Bürgerinitiativen reichte.
Ebenso vielfältig waren denn auch die Themen und Fragestellungen, die zur Sprache kamen. Eine Rückschau auf das Hochwasserereignis in Mitteleuropa im Juni 2013 und die Rolle, die Social Media bei seiner Bewältigung spielten, waren ebenso Gegenstand der Tagung wie das Crowdsourcing relevanter Informationen zur Krisenbewältigung, die Nutzung von Twitter als Informationsquelle, neue Ansätze im Crisis Mapping und Crowdmaps, sowie Wege der Bürgerbeteiligung bei der Planung und Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen, um nur einige zu nennen. Berichte über Projekte weltweit (beispielsweise in Haiti, Brasilien oder Laos) öffneten die Perspektive weit über den mitteleuropäischen Tellerrand hinaus.
Seit etwa 2008 haben sich das Kommunikations- und Informationsverhalten der Bevölkerung grundlegend verändert. Herr Leiner (Leiner&Wolff) wies darauf hin, dass heute allgemein verbreitete mobile Hardware, die frei verfügbaren Geodaten, die Kommunikations- und Organisationsmöglichkeiten über soziale Medien, sowie die inzwischen erreichte Netzstabilität erlaubten der Bevölkerung während des Hochwasserereignisses 2013 ein bisher in Deutschland nicht gekanntes Maß an Selbstorganisation und Selbsthilfe. Für das neue Phänomen der über soziale Medien (und zumeist ohne Zutun der Behörden und professionellen Hilfsorganisationen) ad-hoc „rekrutierten“ Helfer führte Frau Schorr (DRK) in ihrem Vortrag den Begriff der „ungebundenen Helfer“ ein. Die große Relevanz des Themas für Deutschland wurde durch mehrere Vorträge aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) betont, aber auch durch Berichte von Bürgerinitiativen und Forschungsprojekten, die als Reaktion auf die letzte Flut entstanden und sich dem Thema annehmen.
Während der Social Media Monitoring Ansatz darauf abzielt, die für den jeweiligen Anwendungsfall brauchbaren Informationen aus der Masse der Social Media herauszufiltern, wird beim VGI Ansatz der umgekehrte Weg verfolgt: Freiwillige können bei der Sammlung definierter Informationen helfen und ihr „Vor Ort“ Wissen strukturiert in entsprechende Web-Anwendung eingeben. Prof. Zipf (Universität Heidelberg) gab eine Übersicht über den Forschungsstand und die Möglichkeiten des auf ehrenamtlich erhobenen Geodaten basierenden Crisis Mappings. Herr Dennenmoser (DRK , Humanity Road) verdeutlichte, dass die Nutzung von CrowdMaps bei internationalen Hilfseinsätzen für Lagedarstellungen und Einsatzplanungen bereits üblich ist. Tobias Schneiderhahn vom Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation des DLR zeigte die Bedeutung aktueller Fernerkundungsdaten für die Notfallkartierung auf und wies in der Diskussion auf die derzeit bestehenden lizenzrechtlichen Probleme hin, wenn man diese Daten weitergegeben möchte.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden neben Klassikern wie Ushahidi zudem mehrere web-basierte oder mobile Softwarewerkzeuge vorgestellt, die bei der Erfassung, Verarbeitung, Analyse, Visualisierung und Kommunikation von nutzer-generierten Informationen und Geodaten in Notfallsituationen unterstützen können. Auch die Rolle des Humanitarian OpenStreetMap Teams (H.O.T.) und die Bedeutung gerade von freien Geodaten wie OpenStreetMap und darauf aufbauender Anwendungen kam mehrfach als Vorteil gegenüber proprietären System wie Google zur Sprache. Beispielsweise bietet hier auch die Verfügbarkeit der Historie des Kartierung interessante Optionen zur vertieften Analyse des Geschehens.
Neben den Potenzialen und konkreten Praxisbeispielen wurde in den Vorträgen auch deutlich, dass die derzeit verfügbaren Webanwendungen wie OSM, Ushahidi oder Google Mapmaker jeweils nur Teilaspekte der für die Lagedarstellung benötigten Funktionen bereithalten. Herr Judex (BBK) wies in seinem Vortrag auch darauf hin, dass sich die für den Katastrophenschutz relevanten Informationen in einer Vielzahl verschiedener Webanwendungen befinden. Aus dieser „Nudelsuppe“ die wirklich relevanten Informationen „herauszufischen“ ist das derzeit das praktische Problem, vor dem ein Einsatzstab steht, der Social Media und Web-Anwendungen nutzen möchte.
Die Schlussdiskussion erbrachte ein überaus positives Echo auf die Veranstaltung. Ihr Erfolg spiegelte sich auch im Wunsch zahlreicher Teilnehmer nach Folgeveranstaltungen wieder. Diese – auch das ein von vielen Teilnehmern vorgebrachter Wunsch – sollten genutzt werden, um Themenkomplexe und Fragestellungen stärker zu beleuchten, die bei dieser Auftaktveranstaltung nur am Rande behandelt werden konnten. Hierzu zählen beispielsweise soziologische oder juristische Aspekte, die mit dem Einsatz von Bürgern als Helfer im Katastrophenfall, mit der Erhebung und Verwendung von Daten aus Social Media usw. einhergehen.
Die Vortragsfolien der Vortragenden finden sich zur Nachbereitung Online. Eine Folgeveranstaltung im kommenden Jahr bietet sicher spannende vertiefende Einblicke in dieses hochaktuelle Thema, wie es auch die aktuellen Aktivitäten im Umfeld des Taifuns Haiyan auf den Philippinen verdeutlichen. Hier wurden innerhalb einer Woche allein bei OpenStreetMap über 1.000 aktive „Mapper“ gezählt. Das sind deutlich mehr und in viel kürzerer Zeit als es noch 2010 beim Erdbeben auf Haiti der Fall war. Dies wird durch „Mapathons“, d.h. gemeinschaftliche Kartieraktionen in OpenStreetMap, wie sie u.a. auch die Abteilung Geoinformatik am Geographischen Institut der Universität Heidelberg mit zahlreichen Studierenden durchführt weiter unterstützt. Deren Ergebnisse und z.B. auch weitere Daten z.B. aus dem Fotoportal Instagram können dann in interaktiven „CrisisMaps“ z.B. unter crisismap.geog.uni-heidelberg.de im Web abgerufen werden. Interessanterweise konnte hier das von Joao Porto auf der Fachtagung theoretisch vorgestellte Konzept der Entwicklung einer Karte schützenswerter Güter („elements at risk“) auf Basis von OSM mit Unterstützung mehrerer Personen der Abteilung Geoinformatik der Universität Heidelberg kurzfristig für die Philippinen in die Praxis umgesetzt werden. Diese fand bei den Hilfsorganisationen großes Interesse und wurde u.a. schon im Portal des Roten Kreuzes für die dortigen Hilfsaktionen eingebunden.


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